Klinik-Leitfaden
Klinik-Leitfaden für die Begleitung von Sterneneltern
Der folgende Leitfaden für Fach- und Pflegekräfte im Umgang mit Sterneneltern wurden mit Betroffenen basierend auf ihren eigenen positiven oder negativen Erfahrungen im Krankenhaus erstellt. Wir möchten Ihnen damit eine Hilfestellung geben, um Eltern durch diese traumatische Erfahrung um den Tod des eigenen Kindes möglichst gut zu begleiten.
Diagnosestellung
Wenn die Mutter bei der Diagnosestellung alleine ist, kontaktieren Sie eine Begleitperson (meist Partner/in) und lassen Sie die Frau bis zu deren Eintreffen möglichst nicht allein (außer sie wünscht es).
Geschützter Raum
Ermöglichen Sie ein Familien- bzw. Einzelzimmer. Vermeiden Sie für die Eltern den Kontakt zu anderen Schwangeren und Babys (das betrifft auch die Geräuschkulisse). Ermöglichen Sie den Eltern auf Wunsch die Verlegung auf eine andere Station.
Angemessen informieren
Sprechen Sie langsam und ruhig. Erklären Sie die Sachverhalte verständlich und wiederholen Sie diese ggfs. mehrmals, da sich die Eltern meist im Schockzustand befinden (auch wenn sie einen klaren Eindruck machen). Zeigen Sie Empathie. Eventuell kann es den Eltern auch helfen, die Informationen mit einer weiteren Vertrauensperson der Familie zu teilen, wenn auch nur telefonisch.
Auf die Wortwahl achten
Achten Sie auf Ihre Wortwahl. Verwenden Sie im Gespräch mit den Eltern Worte wie „Kind/Sohn/Tochter/Junge/Mädchen“ (nicht „Abort“, „Material“, „Fötus“ etc.).
Betiteln Sie das Kind als Person und nicht als Sache.
Bedenkzeit geben
Geben Sie den Eltern bei allem (Bedenk-)Zeit und drängen Sie sie nicht zu unmittelbaren Entscheidungen, wenn es medizinisch nicht notwendig ist.
Vertrauen schaffen
Reduzieren Sie wenn möglich die Anzahl der Ansprechpartner für die Eltern und stellen Sie das nachfolgende Personal bei der Übergabe vor. Gehen Sie sensibel vor.
Begleitung
Halten Sie Kontakt zu den Eltern. Auch eine kleine/stille Geburt sollte durch eine Hebamme begleitet werden und auf Wunsch im Kreißsaal stattfinden. Oft haben die Mütter noch keinen Geburtsvorbereitungskurs absolviert. Die Eltern sollten besonders in der Geburtsphase nicht allein gelassen werden!
Sternenkindfotografie und Trauerbegleitung
Geben Sie den Eltern die Nummer der Sternenkindfotografen sowie die Kontaktdaten eines Sternenkindervereins ihn Ihrer Nähe weiter.
Erinnerungen schaffen
Schaffen Sie Erinnerungen: machen Sie ein letztes Ultraschallbild, füllen Sie eine Geburtskarte aus, nehmen Sie Hand-/Fußabdrücke, bewahren Sie eine Locke oder das Klinikarmband für die Eltern auf. Weisen Sie je nach Schwangerschaftswoche auf die Möglichkeit von Muttermilchschmuck hin (Abpumpen nötig).
Würdevolle Kleidung
Stellen Sie Kleidung, ein Tuch oder eine Decke bereit, damit die Eltern ihr Kind anziehen bzw. darin einkuscheln können. Für die Kleinsten gibt es auch handgroße Nestchen. Es gibt Vereine, die Kleidung für Frühchen und Sternenkinder nähen und diese kostenlos zur Verfügung stellen.
Die Ängste nehmen
Ermutigen Sie die Eltern ihr Kind zu betrachten, es zu halten, zu fotografieren und je nach Entwicklungsstand zu baden oder anzuziehen. Eine Hebamme kann dafür ihre Unterstützung anbieten.
Ein letzter Gruß
Schaffen Sie die Möglichkeit dem Kind ein Kuscheltier oder eine Decke mit in den Kühlraum zu legen.
Geburtsurkunde bzw. Beurkundung
Je nach Schwangerschaftswoche und Lebenszeichen bei der Geburt bekommt das Kind eine Bescheinigung zur Geburt oder Geburtsurkunde vom zuständigen Standesamt. Weisen Sie die Eltern darauf hin.
Letzte Stunden mit dem Kind
Geben Sie den Eltern ihr Kind mit aufs Zimmer um gemeinsame Zeit verbringen zu können. Beachten Sie, dass der kleine Körper achtsam gelagert werden muss. Hängen Sie ein „Bitte nicht stören“-Schild an die Tür und halten Sie die Station informiert. Bieten Sie diese Möglichkeit wenn gewünscht über mehrere Tage an. Alternativ kann ein Abschiedsraum genutzt werden, wenn die Eltern dies vorziehen.
Info: In Abstimmung mit einem Bestattungsunternehmen können die Eltern ihr verstorbenes Kind auch für 36 Stunden mit nach Hause nehmen.
Bestattungsfragen
Informieren Sie die Eltern erst zur Entlassung über Bestattungsmöglichkeiten oder ermutigen Sie die Eltern, ein Bestattungsunternehmen zu kontaktieren. Auch hier gilt: Lassen Sie den Eltern Zeit für Entscheidungen oder ermöglichen Sie den Eltern sich erst nach ein paar Tagen zu melden (insbesondere bei der Frage nach Sammelbestattung oder Einzelbestattung). Besonders in einer sehr frühen Schwangerschaftswoche wissen Eltern meist gar nicht, dass ihr Kind bestattet werden kann.
Kind ist Kind
Auch wenn es selbstverständlich sein sollte: behandeln Sie das Kind als Person und nicht als Sache! Das gilt unabhängig von der Schwangerschaftswoche!
Phrasen vermeiden
Seien Sie so empathisch wie möglich und vermeiden Sie es, die Eltern mit Phrasen trösten zu wollen. Jetzt grade in dieser Situation gibt es keinen Trost und keinen Gedanken an die Zukunft. Vermeiden Sie Sätze wie „Sie sind ja jung und können noch Kinder bekommen“.
Nachsorge
Geben Sie bei der Entlassung eine Telefonnummer für Rückfragen mit, da die Eltern eine Zeit brauchen, um das Erlebte zu begreifen. Es kann eine große Hürde sein, wenn sich die Eltern erst von der Zentrale aus durchtelefonieren müssen. Wenn Sie eine eigene Seelsorge anbieten, kann dies zusätzlich als Kontaktmöglichkeit mitgegeben werden.